
Credit: NASA, ESA, ESO, D. Lennon and E. Sabbi (ESA/STScI), J. Anderson, S. E. de Mink, R. van der Marel, T. Sohn, and N. Walborn (STScI), N. Bastian (Excellence Cluster, Munich), L. Bedin (INAF, Padua), E. Bressert (ESO), P. Crowther (Sheffield), A. de Koter (Amsterdam), C. Evans (UKATC/STFC, Edinburgh), A. Herrero (IAC, Tenerife), N. Langer (AifA, Bonn), I. Platais (JHU) and H. Sana (Amsterdam)
Kapitel 1
Die Vorraussetzungen
Die völlig anderen Vorraussetzungen auf dem Weg zur Entdeckung des größten und am tiefsten in der Natur verborgenen Geheimnisses.
1.1Der Verlust der Stille
Das, was Sie gerade noch unter den Begriffen „Farben“, „Formen“ und „Kunst“ verstehen, ist für mich überlebensnotwendig. Und das sagt Ihnen kein Künstler, der nur seine Beziehung zu den Formen, den Farben und der Kunst dramatisieren will.
Im Alter von 17 Jahren erlitt ich durch einen beidseitigen Tinnitus den Verlust der Stille. Dieser extrem laute und hochfrequente Ton in meinem Kopf raubte mir meine gesamte Lebensfreude. Die Lebensfreude, die zuvor die Quelle meiner malerischen Kunst war.
1.2Das Ende vor Augen
Mit der letzten Lebenskraft die ich nach diesen vier Jahren noch in mir hatte erschuf ich eines Tages ein digitales Kunstwerk. Und da war er, dieser magische Moment, indem ich feststellte, dass ich in der vergangenen Stunde kein einziges Mal den feindlichen Ton wahrnahm. Was war da passiert?
Die gezielte Fokussierung auf visuelle Reize lenkte meine gesamte Aufmerksamkeit vom auditiven Cortex in den visuellen Cortex.
In den Formen und den Farben der Kunst fand ich meine Stille zurück. Diese Stille existierte jedoch nur dann, wenn mein gesamter Fokus auf die Farben und die Formen der Kunst gerichtet war.
1.3Der Nebeneffekt
Blinde Menschen entwickeln ein überdurchschnittlich gutes Gehör. Taube Menschen entwickeln besondere Fähigkeiten beim Sehen. Fällt einer unserer 5 Sinne aus, Kompensiert ein anderer den Verlust.
Man muss jedoch nicht blind oder taub sein um besondere Fähigkeiten in einem seiner Sinne herauszubilden. Intensives Training über einen langen Zeitraum kann ebenso besondere Fähigkeiten entstehen lassen.
1.3.1Der auditive Cortex
Bei einem professionellen Geiger ist der Bereich in seinem Gehirn stärker ausgeprägt, der für die motorischen Fähigkeiten seiner linken Hand zuständig ist. Was nicht bedeutet, dass ein Geiger besser und stärker greifen kann. Es geht darum, dass das musikalische Empfinden des Geigers die Bewegung seiner Hand übernimmt. Wie funktioniert das?
Wenn Sie einen Apfel vom Tisch nehmen ist es ja nicht so, dass Sie denken: strecke den Arm nach vorne, öffne die Hand, greif zu und zieh den Arm wieder zurück. Sie müssen nur die Entscheidung treffen den Apfel zu nehmen. Alles andere passiert völlig unbewußt in den dazu angelegten Stukturen im Gehirn.
Diese Strukturen bilden sich durch unzählige Wiederholungen. Der Geiger fühlt einen Ton und seine Hand führt aus, was diesen Ton hervorbringt. Sein musikalisches Empfinden wurde durch neue Strukturen mit seiner Handmotorik verknüpft. Und diese neuen Strukturen vergrößern den Bereich in seinem Gehirn, der für die Handmotorik zuständig ist.
Doch dies ist nicht der einzige Nebeneffekt.
Der auditive Cortex ist der Bereich im Gehirn der für die Verarbeitung von Tönen zuständig ist. Auch in Ihm existieren Strukturen. Im Normalbetrieb erfüllen die Strukturen die Aufgaben die an sie gestellt werden, wir nehmen die Geräusche unserer Umwelt wahr und können die Musik die wir lieben in vollem Umfang genießen.
Der Geiger hingegen verfügt über ein weitaus sensibleres Gehör, denn auch im auditiven Cortex bilden sich neue Strukturen.
Über Jahrzehnte hinweg spürt, beurteilt und optimiert der Geiger hochkonzentriert und fokussiert die Töne, die sein Instrument hervorbringt. Die Strukturen die sich dabei im auditiven Cortex bilden, ermöglichen es ihm kleinste Nuancen der Töne wahrzunehmen und ungeahnte, hochkomplexe und harmonische Kombinationsmöglichkeiten zu finden.
1.3.2Der visuelle Cortex
Auch der visuelle Cortex ist in der Lage neue Strukturen zu bilden. Als Ergebnis liefern neue Stukturen im visuellen Cortex eine gesteigerte visuelle Wahrnehmung. Doch durch was bilden sich dort neue Stukturen?
Wenn jemand 10 Jahre lang 16 Stunden pro Tag vor dem Fernseher sitzt, ändert sich dadurch nichts an den Strukturen im visuellen Cortex. Denn der visuelle Cortex arbeitet im Normalbetrieb, in dem er in seinen bereits angelegten Strukturen visuelle Reize verarbeitet. Es muss also etwas sein, was nicht zu seinen gewöhnlichen Aufgaben gehört.
Es ist die gezielte Kopplung mit dem Empfinden für die Farben und die Formen der Kunst.
Sensibilisiert und trainiert man sein Empfinden für diese Phänomene, bilden sich Strukturen die einen Kreislauf schaffen der die visuelle Wahrnehmung verändert, verfeinert und mit der Zeit auf ein höheres Niveau hebt.
1.4Das Ergebnis

Ein normal beanspruchter visueller Cortex
Sie sehen ein normales Aktivitätsmuster

LTP – Long-term potentiation
Je stärker und länger die Synapsen feuern, desto effektiver ist ihre Übertragung. Ihre Biochemie verändert sich. Mit der Zeit werden völlig neue Rezeptoren gebildet, was wiederum die Synapsen noch effektiver macht. Außerdem wird eine große Anzahl neuer Synapsen gebildet. Das gesamte System passt sich an die besonderen Bedingungen an und entwickelt schließlich eine um ein vielfaches stärker ausgeprägte visuelle Wahrnehmung.

Ein stark trainierter visueller Cortex
Sie sehen ein stark ausgeprägtes Aktivitätsmuster
In den ersten 10 Jahren, nach dem Verlust der Stille, lernte ich zu sehen anstatt zu hören.